Juli 2023
Interview mit Nzambi Matee, Gründerin Gjenge Makers
«Wenn du alle Probleme lösen willst, löst du kein einziges.»
Nzambi Matee (32) ist eine in Kenia ausgebildete Maschinenbauingenieurin, Umweltschützerin, Hardware-Designerin, Erfinderin und Serienunternehmerin. Sie ist bekannt für ihre kreativen Methoden zur Umwandlung von Abfall in nachhaltige Materialien. Einst arbeitete sie als Ingenieurin in der Ölindustrie. Heute leistet sie Pionierarbeit in Sachen Nachhaltigkeit, indem sie Plastik recycelt und daraus Ziegelsteine herstellt. HHM hat via Impacc in ihr Unternehmen Gjenge Makers investiert, das seinen Sitz in Nairobi, Kenia, hat. Die HHM Gruppe hat Nzambi Matee an einen Kundenanlass im Vorfeld des Building Awards eingeladen und zum Interview getroffen.
Nzambi, was macht dich als Mensch aus? Und was macht dich als Unternehmerin erfolgreich?
Nzambi Matee: Ich mag den Gedanken, dass es nur eine Version von mir gibt; da gibt es keine andere Nzambi. Ich möchte deshalb das Beste aus mir herausholen. Und als Unternehmerin schätze ich meine Fähigkeit, die richtigen Leute anzusprechen. Denn du kannst Business nicht alleine machen. Ich habe beim Gründen des eigenen Unternehmens Gjenge Makers viel Feedback im Umfeld eingeholt. Dabei ist es ein Privileg, an die richtigen Menschen und Meinungen zu kommen.
Als junger Mensch in Afrika, was treibt dich am meisten an? Was macht euch stark?
Es ist die Kraft der Möglichkeiten. Ich sehe auch beim Besuch in der Schweiz, was möglich ist, und ich gehe mit dieser Inspiration nach Hause. Hoffnung startet bekanntlich Revolutionen. Im Kontext von Afrika bedeutet das, dass Bedürfnisse die Mutter aller Innovationen sind. In Afrika benötigen wir so viele Lösungen, entsprechend gibt es unglaublich viele Möglichkeiten und Chancen.
Und wie priorisierst du die Needs?
Wenn du alle Probleme lösen willst, löst du kein einziges. Mit diesem Bewusstsein konzentriere ich mich auf eine Herausforderung. Wir haben die Kraft zu wählen, das macht uns stark.
Du bist nun 5 Tage in der Schweiz. Was hat dich überrascht?
Diese Freundlichkeit der Menschen hatte ich nicht erwartet. Ich hatte gedacht, die Menschen seien eher etwas kühl und distanziert, doch sie sind neugierig. Ich habe das auch spontan im Zug erlebt und z.B. mit einer Dame ein gutes Gespräch gehabt. Und ich erlebe es mit meinen Gastgebern: Sie gehen die Extrameile. Sie erinnern sich daran, was ich gern habe, und sind verlässlich, kaufen Tickets im Vorfeld oder bringen mir Tee statt eines Desserts, das wir in Kenia so nicht kennen.
Wie profitierst du von den neuen Erfahrungen, die du nach Kenia bringst?
Ich nehme einige Erfahrungen mit. Zuerst für mich als Person: Ich bin gut im Ausführen, aber nicht im Planen. Das Meeting gestern im NEST der Empa hat mir die Wichtigkeit der guten Planung vor Augen geführt. Die Bedeutung der Planung ist gerade mit Blick auf die Kreislaufwirtschaft zentral. Das wird einen Impact auf meine Arbeit haben. Ich habe zudem erlebt, welche Vorteile Pünktlichkeit hat.
Für mich als Unternehmerin ist es wichtig, dass ich mich adaptieren kann. Gehe ich in eine fremde Kultur, dann passe ich mich an. Denn auch im Geschäft gibt es täglich Gutes wie Negatives. Wenn du dich anpassen kannst, dann löst du Probleme einfacher. Und nochmals zurück zum NEST: Es öffnete auch meine Augen in Bezug auf das Materialmanagement im Bau. Wir haben in Kenia lange die Tradition von Steinhäusern aus der Zeit der Briten gekannt, und jetzt realisieren die Menschen, dass es nachhaltigere Wege gibt. Es gibt nicht nur einen Weg, es gibt viele Wege.
Nzambi Matee und Enrico F. Marchesi im NEST Dübendorf
Wenn du mehr planen und pünktlicher sein willst, das braucht auch das Umfeld oder die Gesellschaft?
Ich bin ein grosser Verfechter von Respekt, das gilt in der Familie und darüber hinaus. Ich unterscheide nicht zwischen Familie oder Fremden, Jung und Alt. Zeit und eine Abmachung haben viel mit gegenseitigem Respekt zu tun. Ich habe Zeit bisher kaum als etwas verstanden, das mir Sicherheit und Verbindlichkeit gibt. Diesen Blick auf die Themen Zeit und Planung nehme ich mit.
Wenn wir uns in 10 Jahren wiedersehen, wie und warum ist dann Afrika ein Vorbild für andere Kontinente?
Ich denke die Welt kann von Afrika und der Resilienz unserer Gesellschaft lernen, sie ist Teil der DNA. Das hat die Covid-Periode gezeigt. Wir haben zwar als letzter Kontinent Medizin oder Impfungen bekommen. Dennoch waren wir weniger von den Auswirkungen betroffen; dafür gibt es indes viele Theorien. Resilienz als Fähigkeit bedeutet in dieser Situation auch, dass wir uns aufeinander verlassen haben. Wenn du nicht auf ein System zählen kannst, dann musst du dich aufeinander verlassen. Stell dir vor, dein Haus brennt: Bevor die Feuerwehr kommt, hast du nur deine Nachbarn, die dir helfen.
Das hat auch mit unserer Vergangenheit zu tun. In der Kolonialherrschaft mussten wir einander vertrauen. Das System ist nur der zweite Layer, die Menschlichkeit ist der zentrale, erste Layer.
Ist es denn einfach, erfolgreich zu sein in deiner Kultur?
Zeit und Chancen bekommen alle. Die Erfolgreichen in der Familie sind vielfach die Verantwortlichen für alle in der Familie, das kann sehr belastend sein. Diese sogenannte «Black Tax» wird oftmals zur grossen Bürde und viele Kinder in der Familie erhöhen die Chance, dass eines erfolgreich ist. Das Gute an den Erfolgreichen in der Familie ist, dass man mit einer guten Balance die Gesellschaft entwickeln und mit kleinen Schritten grosse Veränderungen erreichen kann.
Dagegen spricht wie erwähnt die Bürde. Du hast vielleicht 8 Geschwister und bist schliesslich für 8 Familien plus die eigene und deine Eltern verantwortlich. Was hilft und kulturell zu verankern ist, ist die Klärung, was du tun kannst und was nicht, und das von Beginn weg. Es hilft, klar zu sein.
Wenn wir noch kurz über Nachhaltigkeit reden, welche Rolle spielt der Staat?
Nachhaltigkeit steht im Kontext mit unserer Vergangenheit und der Lebensweise unserer Vorfahren, diesen Weg haben wir verlassen und wir finden gerade wieder zurück. Zum Beispiel in der Architektur: die Gebäude früher waren effizient, inkl. kluger Belüftung. Wir hatten verstanden, wie bspw. Ameisen oder Termiten ihre Bauten optimal auf die Situation anpassten. Wir besinnen uns zurück auf diese Elemente und dieses Wissen, die einmal funktioniert haben.
Und wenn unsere Regierung Bäume pflanzt, dann denken wir nicht in erster Linie an CO2-Zertifikate, die wir verkaufen können, sondern ganz praktisch an den unmittelbaren Nutzen als Energie-, Wasser- oder Luftlieferant. Wenn wir an Nachhaltigkeit in Afrika denken, ohne das generalisieren zu können, dann ist es das Praktische. Vielen Dank.
Interview: Christoph Wey, Leiter Kommunikation und Marketing HHM Gruppe
Weitere Informationen zu Nzambi Matee und Gjenge Makers
Informationen zu Impacc, über die der Kontakt zu Nzambi Matee zustande gekommen ist.