HHM e-kontakt 9 / Oktober 2019

Im Interview Sem Mattli, Geschäftsleiter Innovationspark Zentralschweiz

 

 

Die Energie des Bebens nutzen

Der neue Innovationspark Zentralschweiz in Rotkreuz steht im Zeichen der Building Excellence. Sein Geschäftsleiter Sem Mattli blickt auf viele Jahre Erfahrung in der Sportartikelbranche zurück. Wie jemand aus diesem unglaublich dynamischen Umfeld die Transformation der Planerbranche mitgestaltet, schildert er im Interview.

 

Sem Mattli, du kommst ursprünglich von der Entwicklungsseite der Sportartikelbranche. Heute bist du Geschäftsleiter des Innovationsparks Zentralschweiz in Rotkreuz, in dem die HHM Gruppe Kernmitglied ist. Was nimmst du von deiner Vorgängerbranche mit?


Sem Mattli: Innovation ist zentral für die Differenzierung der Sportartikelmarken. Der Sport ist stark vom Anspruch an immer höhere Leistungen und neue Rekorde getrieben. Die Sportbranche ist zudem direkt vom Endkonsumenten beeinflusst: Leistung, Erlebnis, Lifestyle und modische Einflüsse sind nur einige Stichworte. Diese Tatsache begünstigt das kontinuierliche Erneuern und Innovieren von Produkten und Services. Als Analogie denke ich an die Eiger-Besteigungen. Die Erstbesteiger waren noch mehre Tage unterwegs. Dani Arnold besteigt den Eiger heute in unter zweieinhalb Stunden. Der Sport lebt von Spitzenleistungen, die auch immer besseres und leichteres Material erfordern. Das befeuert Innovation.

 

Und wenn du den Vergleich zur Baubranche ziehst?


Ich orte hier andere Treiber, die in der Branche zu hohem Innovationsdruck führen. Es ist nicht primär der Konsument, sondern es sind eher strukturelle und ökologische Faktoren, die Veränderungen einfordern. Die geringen oder gar negativen Produktivitätssteigerungen in den letzten Dekaden machen die Defizite im Vergleich mit anderen Industrien offensichtlich. Gründe dafür sind etwa stark seriell agierende Unternehmen, die Trennung der Gewerke oder die geringe Digitalisierung und Industrialisierung. Damit steht die Baubranche meines Erachtens an einem spannenden Wendepunkt. Die Karten für die nächsten Dekaden werden neu gemischt. Das war im Übrigen ein Beweggrund, mich im Innovationspark Zentralschweiz zu engagieren.

 

Ihr durftet vor wenigen Wochen den neuen Innovationspark beziehen. Es ist eindrücklich, was hier entstanden ist. Welches sind eure Ziele?


Wir wollen Mehrwert für den Lebens- und Wirtschaftsraum Schweiz respektive die Zentralschweiz schaffen. Das gelingt durch Vernetzung und interdisziplinäres Arbeiten von wissenschaftlichen Institutionen, der öffentlichen Hand und Unternehmen. Im Grundsatz geht es um die Sicherung der Arbeitsplätze am Wirtschaftsstandort Schweiz, denn Innovationskraft ist die Voraussetzung für nachhaltige Entwicklung. Diese Strategie stützt auch der Bundesrat mit der nationalen Initiative «Switzerland Innovation». Mit Blick auf den Innovationspark Zentralschweiz in Rotkreuz heisst das, dass wir die notwendigen Kompetenzen im Bereich Building Excellence aufbauen und erfolgreiche Innovationsprojekte initiieren und umsetzen. Durch gemeinsame und interdisziplinär ausgerichtete Forschung und Entwicklung sollen marktfähige Produkte und Dienstleistungen entstehen.

 

Wäre es hilfreich, einen Grossinvestor im Rücken zu haben, der einfach «alles» möglich macht?


Das ist ein zweischneidiges Schwert. Bei einem Innovationsprojekt in Unternehmen hat man tatsächlich lange Initiierungsphasen und es mangelt nicht selten an Risikokapital und Personal. Ein Unternehmen investiert gerade in der frühen Phase des Innovationsprozesses oft beträchtliche Mittel resp. Risikokapital. Das wiederum gehört zum Unternehmertum. Mit Blick auf die Baubranche ist es aktuell noch schwieriger, solche Phasen einzuleiten und mit Ressourcen ausstatten zu wollen. Nicht selten fehlt die Innovationskultur oder -tradition, weshalb Mittel nicht im gewünschten Mass zur Verfügung stehen. Geld allein ohne Bewusstsein würde die Situation dennoch kaum verändern. Denn mit Geld allein kann man sich keine Innovationskultur und schon gar keine Tradition und gemeinsame Vision kaufen.

 

Du hast von einem Wendepunkt der Branche gesprochen. Du rechnest demnach mit wegweisenden Veränderungen?

 

Wir sind mit «Building Excellence» und der Baubranche an einem Wendepunkt angelangt. Die genannten Innovations-Treiber fordern Produktivitätssteigerungen und sie forcieren die Notwendigkeit der Kreislaufwirtschaft und Digitalisierung der Prozesse. Das wird Gewinner und Verlierer nach sich ziehen. Wir haben es in der Hand, auf der Gewinnerseite zu stehen. Industrialisierung durch integrale digitale Planung, Modularisierung und ganzheitliche gewerksübergreifende Fertigung steigert die Produktivität massiv. Wir schonen damit Ressourcen, und das bei gleichzeitiger Qualitätssteigerung. Heute bauen wir Prototypen – und morgen realisieren wir geprüfte und gelebte Qualität. Unternehmen, die sich für Projekte zusammenschliessen und Branchen-Paradigmen durchbrechen, werden künftig von strategischen Wettbewerbsvorteilen profitieren. Dass es dazu kommt, dafür braucht es visionäre Denker und Macher, die bereit sind, Vorinvestitionen und Lernkosten zu bezahlen, und die diesen Changeprozess moderieren. Die Kosten sind insbesondere bei der Digitalisierung und bei radikalen Prozessveränderungen hoch und langwierig. Ist der Vorsprung jedoch einmal realisiert, dann kann dieser von Followern kaum mehr aufgeholt werden.  

   

Sieht sich die Branche in der Verantwortung? Ist sie bereit, die Herausforderungen anzunehmen und Chancen zu packen?


Ich sehe viele Akteure von der öffentlichen Hand über wissenschaftliche Institutionen bis zu Unternehmen, die sich der Verantwortung bewusst sind und handeln. Ohne sie wäre der Innovationspark heute nicht an diesem Punkt, wo man gemeinsam etwas bewegen will und kann. Die Komplexität, verursacht durch die starke Fragmentierung in die einzelnen Gewerke, aber auch die Verantwortungstrennung entlang des Lebenszyklus eines Gebäudes stellen riesige Herausforderungen dar. Davor schrecken viele zurück. Um die Chance zu packen, braucht es eine Grund-Awareness im Unternehmen. Es braucht Visionäre und Antreiber, die diese Herausforderungen ganzheitlich verstehen und sie nicht einfach übers Knie brechen. Dafür muss im Unternehmen eine Innovationskultur aufgebaut werden. Damit schafft man sich die Voraussetzungen, um Wandel aktiv gestalten zu können.

 

Wenn wir in zehn Jahren zusammensitzen. Was ist dann deine grösste Freude?


An Konzepte erinnert sich keiner, aber an gemeinsames Scheitern, Lernen und Erfolgsgeschichten aus dem Innovationspark Zentralschweiz. Es erfüllt Menschen mit Stolz, eigene Beiträge geleistet zu haben. Daher wäre meine grösste Freude, wenn wir es schaffen, eine Building Excellence Innovation Community aufzubauen und zu etablieren. Eine Community, die den Wandel mit Visionen, Emotionen und gemeinsamem Machen befeuert. Als Machertyp würde ich mich auch sehr über den Nachweis freuen, dass wir gemeinsam viel bewegt haben. Darunter verstehe ich nicht bloss eine Vielzahl verkündeter Konzepte und Ideen, sondern realisierte Projekte, die unsere Branche und die Gesellschaft weitergebracht haben. Ich sehe uns zusammen auf dem «Gipfel» stehen; erfüllt mit Stolz und Freude über das Erreichte.

 

Interview: Christoph Wey, Leiter Kommunikation und Marketing und Opinion Leader Innovation, HHM Gruppe.



Innovationspark Zentralschweiz, Rotkreuz.
Der Innovationspark Zentralschweiz hat sich der Open-Innovation-Philosophie verschrieben. Inner-halb des Themas «Building Excellence» arbeiten Wirtschaft, Wissenschaft und die öffentliche Hand gemeinsam an konkreten Fragestellungen und profitieren von interdisziplinären Kompetenzen. Für Unternehmen, Hochschulen, Institutionen, Start-ups und Studierende ist der Innovationspark ein attraktiver Ort, um gemeinsam Innovationsprojekte voranzubringen. Eine Akkreditierung als Standort des Schweizerischen Innovationsparks Zürich durch die Stiftung Switzerland Innovation wird angestrebt. building-excellence.ch

 

Einblick in den Innovationspark Zentralschweiz. Fotos: Philippe Hubler.