e-kontakt 2 / Juni 2023

pRED (Pharma Research and Early Development) Roche Forschungs- und Entwicklungszentrum

 

 

pRED Roche: Den Unterschied machen Menschen.

Über die Planung und Realisierung des pRED Forschungs- und Entwicklungszentrums von Roche in Basel könnte man unzählige technische Superlative verkünden. Wir verzichten darauf und erzählen die Geschichte von Menschen und Teams. Denn das Lehrreiche hat sich für uns als Gebäudetechnik-Ingenieure primär auf dieser Ebene abgespielt. Diese Erkenntnisse teilen wir.

 

von Martin Peinsold, Projektleiter HHM Gruppe

 

Die Planergemeinschaft von Selmoni und HHM (S+H) hat in den Phasen preCD bis DD (pre Conceptual Design bis Detail Design) alle Teilleistungen Elektroplanung erbracht. Mit dem Start der Construction & Commissioning (CC) Phase kam der Auftrag für die Ausführungsplanung im Gesamtprojekt dazu; ein Teil des Generalplaner-Teams war auch im Field-Engineering beteiligt. Die Planergemeinschaft (S+H) unterstützte dabei mit Wissensträger*innen aus den vorangegangenen Phasen in der Qualitätssicherung. Ab 2015 waren zwischen 3 und 35 Personen im Projekt engagiert. Sie haben rund 80‘000 m2 Labor-, 30‘000 m2 Büro- und 40‘000 m2 Garagenfläche mit Gesamtkosten von rund CHF 1,2 Mrd. geplant. Im Construction Management oder dem Werkgruppen-System waren wir auch bezüglich BIM und Zusammenarbeit bahnbrechend unterwegs. Ein grosses Augenmerk lag beim Thema Vorfertigungen, die vollständig im digitalen Modell generiert wurden.

 

Bei der Anfrage wurde klar, welche Dimensionen, Herausforderungen und Chancen dieses Projekt mit sich bringt, technisch wie organisatorisch. Auch in Bezug auf die geforderte Qualität, den Innovationsgrad und die Flexibilität des Gebauten waren diese so bisher kaum da gewesen. Unweigerlich lässt man sich auf unzählige Unbekannte und eine lange, eine sehr lange Reise ein.


Ich kenne mein Team. Ich weiss, was geht. Die Aussicht auf die Zeit in einem Projekt, von dem man noch seinen Enkelkindern berichten wird, ist verlockend und flösst Respekt ein. Es geht nicht einfach um einen Job, sondern es geht um ein Engagement und ein Projekt, in das man mit Haut und Haaren eintaucht.


Der erfahrene Auftraggeber, die F. Hoffmann-La Roche AG, hatte klare Erwartungen an seine Planungspartner. Dass das Endergebnis seiner Zeit voraus zu sein hatte, unterstreicht den Anspruch.


Es geht fast vergessen, dass der Planungsbeginn in eine Zeit fiel, in der sich die Planer- und Bau-Branche noch mit ersten BIM-Gehversuchen abgemüht hat. Neue digitale Hilfsmittel hielten erst Einzug im Planeralltag. Wir starteten von null auf hundert und haben Standards gesetzt.

 

Vertrauen gibt es nicht geschenkt

«Du musst dir das Ganze zutrauen.» Man nimmt Rückgriff auf Erfahrungen aus anderen Grossprojekten und stellt sich vor, wie das optimale Team aussieht. Wir haben die Grundlage mit einem Leader und einem straff aufgestellten Team geschaffen. Die obersten Kredos waren Teamwork, Transparenz und gemeinsame Erfolge. Wir wussten, dass wir rund neun Jahre in einem Boot sitzen.


Damit nicht genug: HHM war mit der Selmoni Ingenieure AG und mehreren HHM Standorten im Projekt involviert. Sich auf Augenhöhe zu begegnen, dazu gab es keine Alternative, weil die organisatorischen und technischen Herausforderungen kaum breiter hätten sein können. Das bedeutete, dass wir mit grösstmöglicher Transparenz unterwegs waren. Mit der Selmoni Ingenieure AG haben wir quasi als ein Unternehmen agiert. Das bedingt viel gegenseitiges Vertrauen.

 

Doch Vertrauen bekommt man nicht geschenkt. Und es sind weniger fachliche oder technische Herausforderungen, sondern die Teamzusammenarbeit und -konstellation haben intensive Führungsarbeit gefordert. Schliesslich wurde täglich ein Honorar in der Höhe des Kaufpreises eines Kleinwagens verarbeitet. Vertrauen in eigene Entscheide und in die von anderen ist von zentraler Bedeutung.


Ich erinnere mich, dass die geforderte Transparenz auch für mich ein anfängliches Hemmnis war. Es fällt nicht leicht, eigene Notizen ungefiltert von allen einsehen zu lassen. Und es ist ungewohnt, dass es intern nicht immer die perfekte Lösung ist, die ins Team geht. Doch diese entwickelt sich im «Schwarm» weiter. Dennoch steht Qualität ganz oben; darum ist Beidhändigkeit gefragt.


Sein optimales Potenzial abrufen können

Eine präsente und klare Führung am Projektbeginn hat den Nährboden gelegt, dass man auf Strukturen und Standards zurückgreifen konnte. Dank klarem Vorgehen und definierten Abläufen konnten über 30 Mitarbeitende der Planergemeinschaft parallel arbeiten – das schafft Orientierung und Verbindlichkeit. Es war eine der sehr weitsichtigen Leistungen, dass die oberste Projektleitung bei HHM viel in den Dialog mit den Teammitgliedern investiert hat.

 

Denn es sind viel mehr als Qualifikationen, die man in ein Organigramm und dessen Kästchen quetscht. Es sind Menschen, die sich in optimalen Konstellationen von Funktionen und Rollen entwickeln können sollen. Wir haben zugelassen, dass die Leute ihren optimalen Weg gehen. Denn die Teammitglieder sollen sich dort engagieren, wo sie stark sind. Wir hatten eine entsprechend hohe Konstanz bei den Projektmitgliedern.

 

Realismus ist unabdingbar

Dennoch: Es gelang nicht allen Kolleginnen und Kollegen, Teil des Teams zu werden. Nicht das Engineering zeigt die Grenzen auf, sondern Menschen und Konstellationen, die nicht passen. Wenn es einen im Team «verbläst», dann betrifft das alle. Die Teamleistung ist der Erfolgsfaktor, die Ressourcen der einzelnen Mitarbeiter*innen müssen aber richtig eingeschätzt werden.

 

Damit tritt ein nächster Erfolgsfaktor aufs Parkett – die realistische Ressourcenplanung. In den ersten Jahren stieg die Jahresbelastung der einzelnen Mitarbeitenden auf weit über 100 % an. Dem haben wir in der Ausführungsphase gezielt entgegengewirkt und die Auslastung mit 80 % kalkuliert, wodurch Ressourcen für Zusatzaufträge im Projekt sowie firmeninterne Aufgaben frei wurden; nicht zu vergessen sind Änderungen und Anpassungen im Projekt, die bearbeitet werden müssen. Das akribische Controlling zeigt heute, dass die Effizienz nicht gelitten, die Zufriedenheit der Projektmitarbeitenden gleichzeitig gestiegen ist. Sie haben an Flexibilität gewonnen.


Wenn wir bei den Prüfsteinen sind: Ich hatte befürchtet, dass der Phasenübergang eine entscheidende Prüfung wird; er stellt nicht nur in der Chemie ein kritisches Momentum dar. Mit Beginn der Ausführungsphase war unser Planungsteam plötzlich enormem Gegenwind ausgesetzt. Vieles, das wir erarbeitet hatten, wurde von den neuen Projektbeteiligten infrage gestellt. Jetzt haben sich die Investitionen in die interne, transparente Dokumentation ausgezahlt; denn wir waren das Projekt-Gedächtnis. Unser Projekt- und Änderungs-Management wurde zum Leitfaden.

 

In Beziehungsqualität investieren

Ein Grossprojekt wie dieses bedingt gezielte Beziehungsarbeit, nicht nur auf der professionellen Ebene. Ein Powerteam, das seine PS auf den Boden bringt und innovativ ist, gehört gefeiert. Ob Fest oder Apéro, der Austausch miteinander, über Gutes wie Nerviges, ist zentral. Schliesslich sind wir ein Team, das gewissermassen als Unternehmen im Unternehmen funktioniert: weiterführende Dienstleistungen anbieten und Zusatzforderungen umsetzen, dies gehört zum täglichen Geschäft.

 

Auf der Kundenseite sind es die Spezialist*innen aus den Fachgebieten als Bestellende. Auch hier ist die persönliche Ebene gefragt, denn nur über die gute Arbeit und gegenseitiges Verständnis erwächst das wichtige und produktive Vertrauen.

 

Stolz sein auf das Geleistete, das ist die besondere Form der Belohnung. Dieser Stolz speist sich aus dem Entwicklungswillen der Beteiligten. Gleichzeitig erstaunt es, wie ein solches Projekt die eigene Laufbahn beeinflusst – nicht nur, weil es fast ein Jahrzehnt gedauert hat.


Ich konnte mit anderen Kolleg*innen eine steile Lernkurve gehen. In diesem Projekt sind Mitarbeitende als «unscheinbare» Planer und Schaffer gestartet. Sie können mit ihren Fähigkeiten und ihren Erfahrungen heute sehr viel Grösseres stemmen.

 

Aus dem Projekt eigene Entwicklung befeuern

Ich stiess Anfang 2017, während der Konzeptphase der Speziallabore, zum Projekt. Es galt, die Labore gewerkübergreifend in die bestehenden Konzepte zu implementieren. Dabei konnten die technischen Herausforderungen nicht abwechslungsreicher sein. Die ausgeklügelten Lösungen galt es danach auszuschreiben und in intensiven Vergabegesprächen zu verhandeln.


Das Milliarden-Projekt benötigte für diesen Prozess nochmals rund zwei Jahre. Es wird klar, welchen Wert die gründliche Planung und deren Dokumentation haben. Denn gefühlt alle sechs bis zwölf Monate kommen ähnliche Themen aufs Tapet. Dann ist es entscheidend, dass die Besprechungs- und Abstimmungsnotizen allen zugänglich sind – unsere Ablagesysteme haben sich bewährt. Sie stehen heute beispielhaft für ein Miteinander, wo jede und jeder ihr/sein Bestes abrufen kann.

 

Das pRED-Projekt hat auch Entwicklungen im eigenen Unternehmen angestossen, sodass wir heute bei HHM eine Fach- und Führungskarriere (FFK) haben und BIM längst zum Selbstverständnis gehört. Ein Projekt, das vor Augen geführt hat, dass man Zeit in Menschen und optimale Konstellationen investieren soll. Diese Erkenntnis widerspiegelt sich auch bereits in ersten IPD-Projekten (Integrated project delivery) von HHM. In einer Zeit, in der mit IPD das Miteinander in Bau und Planung eine völlig neue Betonung bekommen soll. Und das ist gut so.


Es ist richtig, dass Auftraggebende wie Roche höchste Erwartungen haben, dass sie aber auch mit Rahmenbedingungen agieren, sodass man zum High-Performer-Team werden kann.