HHM e-kontakt 11 / Mai 2020
Sportsgeist beflügelt die Vision doppelt
Sportsgeist beflügelt die Vision doppelt
Mit dem OYM in Cham entstand ein Zentrum für den Spitzensport, das weit über die Landesgrenzen hinaus Massstäbe setzt. Für Athletiktraining, Rehabilitation, Ernährung und Forschung steht seit Ende März 2020 eine hoch spezialisierte Infrastruktur zur Verfügung, deren Realisierungs-Geschichte selbst an Spitzensport erinnert. Auf der grünen Wiese wurde in rund 30 Monaten die Idee des Sportvisionärs Dr. HP Strebel Realität. Dank gestandenen Profis und viel Teamgeist.
Das OYM präsentiert sich als eigenständiger und gleichzeitig wohldimensionierter Bau. Man ahnt bei der vornehmen «Bescheidenheit» nur bedingt, welch grossartige und grosszügige Infrastruktur sich hinter der verzinkten Hightech-Fassade verbirgt. Dabei beginnt das Staunen schon am Empfang. Ein riesiges OYM-Logo in dunklem Holz auf der Rückseite eines Auditoriums steht als unmissverständliches Statement und verströmt etwas Besonderes. Gleich nebenan gibt ein spektakuläres Treppenhaus einen ersten Teil der Magie dieses Ortes preis: Es erschliesst unterschiedliche Niveaus über geschickt übereinander angelegte Treppenläufe.
Ich treffe mich vor Ort mit dem Gesamtprojektleiter Daniel Steger von der Eberli AG und mit Matthias Huser, dem Projektleiter Elektro Engineering von HHM Zug. Schnell wird klar, dass die beiden trotz unterschiedlichen Alters, das Heu auf derselben Bühne haben. Vielleicht liegt es auch daran, dass einmalige Aufgabenstellungen wie jene des OYM Menschen auf eine besondere Art zusammenschweissen. Wie sie denn das erste Mal vom Projekt erfahren haben, möchte ich wissen. Matthias Huser erinnert sich an die Kick-off-Sitzung im März 2016. Dort war er mit dem ersten Projektentwurf konfrontiert. Dass sich hier etwas entwickelte, das seinesgleichen sucht, war ihm und seinem Chef auf der Rückfahrt schnell klar: «Was für eine geniale Kiste.» Daniel Steger stiess Ende 2016 als erfahrener Grossprojektleiter dazu. Er wusste, dass für die Planung und Realisierung eines so komplexen Gebäudes ausserordentliche Leistungen von allen notwendig werden. Das erste grobe Betriebskonzept hatte gezeigt, dass das Projekt in sich stimmte, dass jedoch einige Optimierungen vorge-nommen werden mussten. Damit waren die Bedingungen geschaffen, um den hohen Anforderungen gerecht zu werden.
Ein enges Terminkorsett für Niedagewesenes
Mit der Vision stand von Beginn an fest: Das Gebäude und die Anlagen mussten auf die Eishockey-WM im Mai 2020 zur Verfügung stehen. Sporthallen und Trainingsinfrastruktur für unterschiedlichste Sportarten sind vor Ort das prägende Thema. Beim Gang durch das besagte Treppenhaus mit seinen vielfältigen Ausblicken eröffnen sich die verborgenen Schätze nach und nach. Da ist der Eishockey-Trainingsbereich mit einem Bodenbelag aus Kunsteis, vielen Toren und einem mit Schlittschuhen begehbaren Laufband für das Schusstraining aus der Bewegung. Es ist klar, dass es für Kompromisse keinen Platz gab. Dass dieser Raum neben dem Auditorium mit 170 Plätzen nur der Start war, realisiert der verblüffte Besucher, wenn er das Eisfeld sieht und Minuten später darüber eine Dreifachturnhalle mit einem nie gesehenen Hallenboden aus Glas betritt. Je nach Sportart wird dieser flexibel mit den notwendigen Linien bespielt. Und mit der Erinnerung an diesen von aussen doch gar nicht so mächtigen Bau geht es schon weiter in eine ebenso grosse Athletikhalle. Sie verschlägt einem buchstäblich den Atem: modernste Trainingsgeräte, so weit das Auge reicht. Es fehlen Vergleichsreferenzen für die eigenen Eindrücke. Das ist Teil der Faszination.
Zur WM sollte also auf der grünen Wiese stehen, was Anfang 2017 noch als Projektentwurf vorlag. Es brauchte die Besten ihrer Zunft, dass dieser Traum Konturen bekam. «Für das Bauwerk mit Spitzentechnik mussten wir Spitzenleute haben, die zugunsten einer grossartigen Idee und Vision ihre eigenen Interessen in den Hintergrund stellten», so Daniel Steger, damit hier ab Frühling 2020 talentierte Spitzensportlerinnen und -sportler weltweit einmalige Trainingsbedingungen vorfinden. An dieser Stelle betritt endgültig ein zentraler Begriff die Bühne, der sich als roter Faden bereits durch unser gesamtes Gespräch zieht. Es geht um Vertrauen. Matthias Huser: «Sehr schnell war der Umgang im Team von viel Vertrauen und sehr viel Freiraum geprägt, sodass wir unsere Arbeit bestmöglich machen konnten. Etwas, das so heute in Projekten viel zu selten zu spüren ist.» Daniel Steger legt nach: «Wir schauten zum Anvertrauten wie zur eigenen Sache. Und aus Vertrauen und gemeinsamen Erfolgen entwickelt sich schliesslich Stolz.» Der Bauherr hat diese Vertrauenskultur von Beginn weg gefordert und selbst geprägt.
Die eigenen Grenzen ausloten
Die Tatsache, dass man in Cham sprichwörtlich neues Terrain im Einsatz und in der Anwendung von Technik betreten hat, macht die Faszination für das Realisierte noch grösser. Die Ausgangslage sei gerade für einen noch eher jungen Ingenieur herausfordernd gewesen. Er habe es dennoch sehr geschätzt, dass er gefällte Entscheide mittragen und umsetzen konnte, so Matthias Huser. Und Daniel Steger meint, dass das Neue und Unbekannte natürlich auch Persönlichkeiten braucht, die damit mutig umzugehen wissen. Er erinnert an den immer wieder gehörten Ausspruch von HP Strebel: «Wer in die Spuren von anderen tritt, kann keine eigenen Spuren hinterlassen.» Das gilt auch für die sportliche Vision.
Dr. Marco Toigo ist als international ausgewiesener Forscher und Experte mit seinem Team verantwortlich für das «OYM Performance Engineering». Daniel Steger bedient sich zur Erläuterung einer einfachen Analogie von Marco Toigo. Vergleicht man Athletinnen und Athleten mit einem Auto, dann werden im OYM mit dem aktuellsten wissenschaftlichen Wissen der Motor (Leistungsfähigkeit) und die Karosserie (Körper) von Talenten optimiert. Der Motor wiederum braucht Treibstoff resp. Nahrung, die im OYM individuell und massgeschneidert aufs Gramm genau für die Sportlerinnen und Sportler ausgelegt ist. Mit zusätzlichem persönlichem Coaching und digitaler Erfassung und Auswertung jedes einzelnen Trainings holen sie das Maximum aus dem Potenzial der Sportler heraus. Das nicht nur auf dem Eisfeld oder in den Trainingshallen, sondern auch auf den Running-Tracks, die, ebenfalls mit Sensoren und Kameras gespickt, Teil der Infrastruktur sind. Sie liefern den Trainierenden exakte Messdaten für alles Erdenkliche. Im OYM in Cham wird nichts dem Zufall überlassen.
Was bleibt zurück?
Das Bauwerk des Sportvisionärs Dr. HP Strebel ist ein Geschenk an Top-Sportlerinnen und -Sportler mit Zukunft, an heutige und an künftige Talente. Das OYM war die Gelegenheit für die Architekten und jeden überzeugten Ingenieur oder Unternehmer, eigene Zeichen und Spuren zu hinterlassen. Das ist das, was Ingenieure machen wollen. Sie wollen Lösungen erarbeiten und Visionen möglich machen. Auf die Frage, was Matthias Huser rückblickend besonders freut, kommt die bemerkenswerte Antwort: «Wir vom Elektro Engineering haben nie Nein sagen müssen. Und selbst neue, wachsende Anforderungen im Projekt haben wir immer aufnehmen können, weil wir weitsichtig geplant hatten.» Für einen erfahrenen Hasen wie Daniel Steger fällt die Bewertung ebenfalls positiv aus, auch wenn es Momente gab, wo selbst ihn Terminzweifel geplagt haben: «Ich habe mich in meiner Philosophie, zu bauen und zu führen mit Menschen, bestätigt gesehen. Ich nehme neue Kolleginnen und Kollegen mit aus diesem Projekt.»
Der Besucher verlässt die Interviewpartner und den Ort mit Eindrücken und einer gewissen Ehrfurcht sowie der Frage, warum es nicht mehr solche Konstellationen gibt? Denn das Glück des grosszügigen Visionärs ist die eine, grossartige Seite der Medaille. Aber die Tatsache, dass Vertrauen und gegenseitiger Respekt der unabdingbare Schlüssel sind, um Herausragendes zu leisten, das beschäftigt doch. Aber nur deswegen, weil dieser Geist des Miteinanders in der Projektwelt heute viel zu selten vorherrscht. Man wünscht sich deshalb viel mehr Sportsgeist für die gesamte Branche. Damit noch mehr so Grossartiges in dieser Manier entstehen kann.
Text: Christoph Wey, Leiter Kommunikation und Marketing HHM Gruppe
Kern-Projektteam Elektroengineering HHM Zug: Matthias Huser, Kilian Gisler
Fotografie: Regine Giesecke
«OYM möchte dem Schweizer Spitzensport neue Möglichkeiten bieten und neue Massstäbe setzen. Ab 2020 werden hoch spezialisierte Infrastrukturen für Athletiktraining und Rehabilitation, modernste Sport-Performanceflächen und interdisziplinäre Forschung unter einem Dach vereint sein. Die wissenschaftlich fundierte sowie individuelle Betreuung der Athleten ist der entscheidende Erfolgsfaktor. Dabei werden immer zwei Ziele verfolgt: Zum einen die Maximierung der Trainingsadaptationen. Zum anderen die sportartspezifische Leistungssteigerung.» Weitere Informationen: www.oym.ch