e-kontakt 5 / November 2022
Neues Polizei- und Justizzentrum Zürich (PJZ)
Ein Projekt für die Geschichtsbücher
Von der Idee bis zum fertigen Bauprojekt des gemeinsamen Kompetenzzentrums war es ein weiter Weg. Heute sind Polizei und Justiz Nutzerinnen der 33’558 m2 Fläche des PJZ (Polizei- und Justizzentrum Zürich) mit rund 2’030 Arbeits- und 241 Haftplätzen. Nach viereinhalb Jahren Bauzeit wurde ein in seiner Komplexität und Grösse einmaliges Projekt abgeschlossen. Im kurzen Beitrag nehmen wir die Leserschaft mit auf eine Reise: durch verschiedenste Nutzungen und ein paar Tech-Highlights.
Bis zur Grundsteinlegung am 22. Juni 2017 hatte es gedauert. Denn die Idee eines PJZ hatte schon vor dessen Realisierung eine eindrückliche Geschichte hinter sich. Bereits in den 1980er-Jahren gab es Pläne, Polizei und Justiz örtlich zusammenzuführen. Nach einer Planungs- und Abstimmungs-Odyssee von gut 25 Jahren begann 2005 mittels Projektwettbewerb die Suche nach einem Generalplaner. 2009 reichte die Baudirektion das Baubewilligungsgesuch ein. 2014 startete der Aushub; 2015 wurde die Projektierungs- und Konzeptphase abgeschlossen; 2017 konnte die bauliche Umsetzung beginnen.
Die Nutzungsvielfalt, mit der die Planenden konfrontiert waren, brachte unzählige Knacknüsse mit sich. Denn das PJZ ist Büro, Kommandozentrale, Gefängnis, Schule, Trainingscenter und anderes mehr. Ein Beispiel, was diese Verflechtung bedeuten kann, liefert die «Haftstrasse plus». Dabei wird in Kürze aus einer Tiefgarage eine temporäre und funktionsfähige Grosszelle, die bei Massenverhaftungen zum Einsatz kommt. Koordiniert wird aus der neuen Einsatzzentrale (EZZ) der Kapo Zürich. Man kennt diese Räume mit ihren typischen Grossbild-Leinwänden. Die Kunstlicht-Beleuchtung bildet dank optimal aufeinander abgestimmten Parametern (Lichtstärke, Lichtintensität und Lichtfarbe) das Tageslicht möglichst exakt nach; für die Personen in der Einsatzzentrale ist so immer Tag. Sämtliche Versorgungsräume (Strom, Daten, Wasser, Luft, Kälte usw.) sind zudem als redundante Zentralen ausgeführt, um für unterschiedliche Szenarien gerüstet zu sein.
Mitten in der Stadt Zürich ist mit dem PJZ ein hochmodernes Kompetenzzentrum für die Bekämpfung der Kriminalität mit rund 2’030 Arbeits- und 241 Haftplätzen entstanden. Abteilungen der Kantonspolizei, der Staatsanwaltschaft, das Gefängnis Zürich West, das Forensische Institut Zürich, die Zürcher Polizeischule und Teile des Zwangsmassnahmengerichts sind in einem Gebäude untergebracht. Speziell ist, dass ein Gefängnis in der Stadt, quasi «Wand an Wand» mit der Büroinfrastruktur, realisiert wurde. Dass höchste Sicherheitsstandards gelten und Tausende Sensoren den Gebäudezustand überwachen, ist logisch. Und am selben «Ort», wo vorläufig Festgenommene und Untersuchungshäftlinge sitzen, holen sich gleichzeitig Aspirantinnen und Aspiranten der Zürcher Polizeischule (ZHPS) in den Schulungs- und Trainingsräumen das Rüstzeug für den Polizeialltag. In der Einfachturnhalle ist eine Kletterwand untergebracht; Übungen zur persönlichen Sicherheit können zudem in einem Trainingsraum für verschiedene Kampfsportarten praktiziert werden.
Der Blick wandert in die oberen Geschosse. Fast wie eine «Krone» thront über dem grossen Atrium des Haupteingangs das Konferenzgeschoss. Aus einem der sechs Sitzungszimmer wird im Krisenfall der Rapportraum der Kantonalen Führungsorganisation (KFO). Das bedeutet, dass die Grossbild-Leinwand, die im Normalfall als Projektionsfläche dient, zur Grossbild-Lagedarstellung umfunktioniert wird. Bei Energieausfällen sichern Notstrom-Aggregate die Stromversorgung, und auch die Datenkommunikation ist gewährt. Hier, in Dachnähe, findet sich auch der Super-Puma-taugliche Helikopterlandeplatz, der von der nahen Hardbrücke als Dachaufbau zu sehen ist. Zu den Eigenarten eines Landeplatzes gehört, dass Dachaufbauten wie die Kamine der Notstrom-Dieselanlagen oder der Antennenmast koordiniert platziert wurden; das Ganze wird mit Hindernisleuchten für den Nachtflug befeuert.
Von den oberen Geschossen geht es via Verkehrsflächen in die Untergeschosse. An den Decken der Erschliessungswege findet sich eine Vielzahl Komponenten: Brandmelder, EVAK-Lautsprecher, Bewegungsmelder, W-LAN-Sender, Sicherheitsnotleuchten oder die Polycom- und GSM-Antennen. Im Untergeschoss angekommen, sehen wir die Schiessanlage: vier Indoor-Schiessstände mit über 30 Scheiben. Einzelne der Schiessstände sind speziell ausgerüstet (z.B. Drehspiegelleuchten und Stroboskop-Licht), um das Schiessen unter erschwerten Bedingungen zu trainieren. Zudem muss die Abführung der entstehenden Schadstoffe in der Luft gewährleistet werden, um bei der Schussabgabe optimale Bedingungen zu haben.
Auch ein Rechenzentrum (RZ) befindet sich im PJZ. Realisiert wurden drei Cubes (2 gegenüberliegende Reihen aus 19-Zoll-EDV-Racks mit je 22 Racks). Jeder Cube funktioniert nach dem Warm- und Kaltgang-Prinzip. Das bedeutet, dass die kalte Luft über den Doppelboden verteilt wird und schliesslich von unten in die Racks einströmt. Die Luft steigt nach oben und kühlt die eingebauten Komponenten ab, die erwärmte Luft wird abgesaugt und durch Klimaschränke abgekühlt. Daneben ergänzen weitere Räume und eine Vielzahl an Sicherheits-Features das RZ.
Diese Auswahl an Nutzungen ist unvollständig. Spezielle Lagerräume, die Grossküche oder die Hundezwinger haben ebenso dazu beigetragen, dass bei den Planenden keine Langeweile aufkam. Wir wollen es nicht unterlassen, auch noch kurz auf eine Auswahl an technischen Highlights einzugehen.
Ausgewählte Technik-Highlights
Dazu zählt die Lösung der Wetterstation. Weil die Architekten auf unschöne Windwächter an der Gebäudefassade verzichten wollten, hat man einen anderen Lösungsweg eingeschlagen. Dafür wurde das PJZ als Modell nachgebildet und im Windkanal genaustens vermessen. Auf dem Dach findet sich heute eine Wetterstation, die nicht nur die Windgeschwindigkeiten, sondern zusätzlich auch die genaue Windrichtung misst. Aufgrund der Windkanal-Daten konnte die Wetterstation so programmiert werden, dass für jede Fassade eine optimale Storensteuerung realisiert wurde.
Um die Stromversorgung des PJZ autonom zu steuern, wurde unabhängig vom Gebäudeleitsystem ein Netzleitsystem (NLS) aufgebaut. Dieses NLS steuert die Energieversorgung und den Lastfluss bei Normalbetrieb und 17 weiteren, vordefinierten Betriebs- bzw. Fehlerzuständen. Die Steuerung läuft im Normalfall vollautomatisch ab. Die Gebäudeautomation-Komponenten (GA) decken ihrerseits die Funktionen des Mess-, Steuerungs- und Regelungstechnik-Systems (MSR) für die HLKKS-Anlagen und die Steuerung von Licht und Storen ab. Das GA-System wurde entsprechend zweigeteilt: Der Teil A ist zuständig für die Steuerung der HLKKS-Anlagen (MSR-System). Teil B als KNX-System zeichnet für die Funktionen der Licht- und Storenanlage verantwortlich. Die Kommunikationsverkabelung des Gebäudes besteht ihrerseits aus 21 UKV-Räumen (Universelle Kommunikationsverkabelung). Ab den UKV-Racks erfolgt die Verkabelung auf konventionelle Art mittels Kupferkabeln an die Arbeitsplätze. Im PJZ wurden so über 7’000 UKV-Links installiert; dazu kommen 22 WLAN-Racks.
Über 360 km Elektro-Rohre durchziehen das imposante Bauwerk. Ein wesentlicher Teil ist für die Lichtinstallation bestimmt, denn sämtliche Konturen der Verkehrsflächen wurden mit LED-Leuchtenbändern ausgestattet. Würde man diese aneinanderreihen, dann entsprächen sie 10-mal der Strecke der Bahnhofstrasse in Zürich. Und selbstredend ist ein derart wichtiges Gebäude mit zentralen Schlüsselfunktionen für den Stromausfall gewappnet. Das PJZ verfügt über eine NEA (Netz-Ersatz-Anlage), die das Gebäude über Notstrom-Dieselaggregate mit Strom versorgen kann.
Was bleibt an Schlüsselerkenntnissen für die Planenden?
Um die Herausforderung der unterschiedlichsten Nutzungen auf kleinstem Raum zu meistern, wurden wiederholt innovative Lösungsansätze gewählt. Ein Gebäude dieser Grössenordnung kann nur geplant werden, wenn sämtliche Planer-Disziplinen als eingespieltes Team funktionieren. Die lange Planungszeit vor dem effektiven Baustart hat dazu beigetragen, dass bei der Realisierung das Generalplanerteam einwandfrei funktionierte. In der Berufskarriere eines Elektroplaners ist ein so komplexes und grosses Projekt vermutlich einmalig. Wenn man sich das immer wieder vor Augen führt, dann erklären sich auch die vielen «Extrameilen», die man dafür gegangen ist.
Text: Christoph Wey, Leiter MarKom HHM Gruppe; Adrian Bühler, Gesamtprojektleiter; Marco Andrist, Projektleiter Elektro HHM Gruppe. HHM war für die gesamte Elektroplanung inklusive der zwei Spezialdisziplinen (Beleuchtungsplanung und Planung der A/V-Anlagen) zuständig.
Foto: Till Forrer