Schule für Gestaltung Bern
Wenn der Fokus auf Lösungen neue Wege eröffnet
Stellen Sie sich vor: Ein geschichtsträchtiges Gebäude bekommt nicht nur ein aufgefrischtes Gesicht, sondern seine Fassade fängt ab sofort die Sonne ein und verwandelt die Energie in Strom. Diese Neuerung ist nicht nur ein technologisches Highlight, sondern auch ein Balanceakt zwischen dem Erhalt historischer Schätze und den strengen Anforderungen des Brandschutzes. Die Teams aus Architekten, Ingenieuren und Behörden standen vor einer Herausforderung – und haben sie gemeistert.
Das Gebäude in der Stadt Bern ist ein Zeitzeuge und im Bauinventar als schützenswert bzw. erhaltenswert eingestuft. Die Kunstgewerbeschule von Willy Pfister wurde in der Zeit von 1968 bis 1971 realisiert. Die Schule für Gestaltung zeigt bis heute ihre Qualitäten nach aussen wie im Inneren. Deshalb wollte man dem Substanzerhalt bei der Sanierung Rechnung tragen. Nach mehr als einem halben Jahrhundert im Dienst hat der Kanton Bern als Besitzer der Liegenschaft entschieden, dem Gebäude nicht nur äusserlich, sondern auch in Sachen Sicherheit und Energieeffizienz ein nachhaltiges Update zu verpassen – von Brandschutz bis Erdbebensicherheit, von Wärmedämmung bis zu den charakteristischen, aber maroden Fenstern.
Die geplante Photovoltaik-Anlage an der Fassade der Schule für Gestaltung unterstützt die Klimaziele des Kantons Bern. Dieser setzt bereits seit vielen Jahren auf klimaschonende Konzepte und Massnahmen, damit seine Gebäude möglichst energieeffizient funktionieren und einen geringen CO2‑Fussabdruck haben.
Die Photovoltaik-Anlage konnte optisch sehr nah an die bestehenden, mit farbigem Glas verkleideten Brüstungsbänder angepasst werden und erhielt so auch grünes Licht von der Denkmalpflege. Die Planenden berücksichtigten neben den denkmalpflegerischen und technischen Vorgaben auch ökologische und wirtschaftliche Aspekte. Diese Life-Cycle-Betrachtung zieht neben den Instandstellungskosten auch die Unterhalts- und Betriebskosten während der zukünftigen Nutzungsphase in die Kostenbetrachtung mit ein.
Der Entscheidung, die Fassade mit Photovoltaikmodulen zu gestalten, gingen intensive Diskussionen voraus. «Es war ein schwieriges Kind zum Gebären», so Kevin Maurer von der HHM Gruppe. «Doch das Projektteam hat sich von Beginn weg an Lösungen orientiert.» Behörden, Architekten und die planenden Ingenieure haben stets den möglichen Konsens gesucht. Unterschiedliche Interessen und Verantwortungen hat man so in eine gemeinsame Lösung überführen können. Diese konstruktive Art von Zusammenarbeit ist es, die wir als Ingenieur*innen zur Lösung von vielschichtigen Herausforderungen brauchen.
Die neue Fassade als Kernelement
In enger Absprache mit der Denkmalpflege entstand eine innovative Fassadenlösung: Es wurden Brüstungsbänder aus Glas-Glas-Photovoltaikmodulen integriert, die nicht nur ästhetisch, sondern auch funktionell überzeugen. Zur klassischen Photovoltaik-Anlage auf dem Attikageschoss wird die Fassade des Hochbaus aktiviert und genutzt. Doch damit nicht genug, wurde auch ein neues Brandschutzkonzept entwickelt, das den Bedingungen der kantonalen Gebäudeversicherung in Bern gerecht wird; denn eine Photovoltaik-Anlage mit ihren Teilen wird als brennbare Fassadenbekleidung eingestuft.
Die besondere Herausforderung für die planenden Ingenieure lag darin, dem Brandschutz gerecht zu werden. Hohe Anforderungen an brennbare Fassadenverkleidungen fordern Ersatzmassnahmen. Dabei kamen den Planenden u.a. die typischen Fensterbänder entgegen, die im Konzept eine horizontale «Barriere» bilden.
Woran kaum jemand denken würde: Zu berücksichtigen war ebenso der Schattenwurf von Gebäuden und Bäumen im Umfeld, was den Einsatz von Optimierern erforderte, die vom Dach aus die PV-Anlage steuern.
Aufgrund der Komplexität des gesamten Vorhabens war es essenziell, stets das grosse Ganze in der Vielfalt der Herausforderungen und Chancen zu verstehen. Bünzli & Courvoisier Architekten: «Dabei gilt es im Spannungsfeld zwischen energetischen Anforderungen und Behaglichkeitsansprüchen einerseits sowie denkmalpflegerischen und wirtschaftlichen Überlegungen andererseits die angemessene Lösung zu finden.»
Mit der Schule für Gestaltung in Bern entsteht ein modernisierter Zeitzeuge, der deutlich macht, was geht, wenn alle Beteiligten an zukunftsfähigen Lösungen arbeiten. Wir brauchen mehr solche Lösungen, die vom Konsens leben.
Leistungen der PV-Anlage:
- Dach-Anlage (73 kWp): 66'000 kWh (900 kWh/kWp)
- Fassade Süd-Ost (43.2 kWp): 31'700 kWh (735 kWh/kWp)
- Fassade Nord-West (43.2 kWp): 26'600 kWh (616 kWh/kWp)
Beteiligte:
Bauherr: Bau- und Verkehrsdirektion des Kantons Bern BVD / Amt für Grundstück und Gebäude AGG
Architekten: Bünzli & Courvoisier Architekten AG, Zürich
PV-Ingenieur: HHM Gruppe, Aarau
Bauingenieur: Bardak Planungsbüro, Zürich
Brandschutz-Ingenieur: Makiol Wiederkehr AG, Beinwil am See
Autor: Christoph Wey, Leiter Kommunikation HHM Gruppe
Bildunterschrift Bünzli & Courvoisier Architekten AG